LJ001 – Ein antivirales Medikament mit Breitbandwirkung?
Felix Bohne | Feb 02, 2010 | Kommentare 3
Die Antibiotika werden als eine der Schlüsselentdeckungen der modernen Medizin betrachtet und ermöglichten es Ärzten seit den 30er Jahren des 20. Jahrhunderts, die dringlichsten Krankheiten wie Tuberkolose, Pneumonie oder Syphilis erstmals effektiv zu behandeln. Doch neben den, sich immer häufiger einstellenden Resistenzen, besitzen sie ein massgebliches Manko. Sie wirken nur gegen bakterielle Krankheitserreger. Eine grosse Zahl von Krankheiten wird jedoch von Virusinfektionen ausgelöst und viele dieser Erkrankungen verlaufen lebensbedrohlich. Antivirale Medikamente sind bisher nur in wenigen Fällen und speziell auf den spezifischen Erreger zugeschnitten, verfügbar, wie im Falle von HIV oder Influenza. In vielen Fällen lässt sich der Virusinfektion durch eine Impfung vorbeugen und Impfkampagnen bewirkten bahnbrechende Erfolge in der medizinischen Betreuung. Doch einige Viren “wehren” sich mit ausgeklügelt erscheinenden Ausweich- und Tarnmechanismen fundamental gegen einen Impfschutz und führen heute die Sterblichkeitsstatistiken der WHO an, wie im Fall von HIV und HCV.
Forschern aus den USA (University of Texas, UCLA, Harvard University, the U.S. Army Medical Research Institute und Cornell University) ist nun möglicherweise der grosse Fang gelungen. Sie suchten eigentlich nach einem Inhibitor der tödlichen Nipah-Virusinfektion. Beim automatisierten High-Throughput-Screening einer Wirkstoffbibliothek mit mehr als 30.000 einzelnen Molekülen sind sie dabei auf einen Kandidaten mit dem vielversprechenden Namen LJ001 gestossen, der die Neuinfektion kultivierter Zellen wirkungsvoll verhinderte. Bei weiteren Tests stellte sich jedoch heraus, dass dieser Prozess nicht ausschliesslich spezifisch für das Nipah Virus war, sondern eine ganze Bandbreite von Virusinfektionen, unter anderen Ebola, HIV, HCV, West Nil Virus, Rift Valley Fiebervirus und das Gelbfiebervirus, erfolgreich blockierte.
Bild: Wikipedia
All diese Viren haben eines gemeinsam, sie besitzen eine Lipidmembranhülle, die sie von ihren Wirtszellen übernehmen, und deren Fettsäurenzusammensetzung der Zellmembran der Wirtszellen ähnelt. Auf Viren, die sich nicht mit einer solchen Lipidmembran umgeben, hatte der Wirkstoff dagegen keinerlei inhibitorischen Einfluss. Die Forscher fanden heraus, dass der Wirkstoff durch Interkalation die Zusammensetzung dieser Membranhülle so verändert, dass die Fusion mit der Wirtszellmembran einer neu zu infizierenden Zelle, nicht mehr stattfinden kann. Doch diese Membranfusion ist essentiell für den Infektionsprozess. Natürlich hat die Substanz die selbe Auswirkung auf die Zusammensetzung der Zielzellmembran, doch die Zelle besitzt im Gegensatz zu den Viren ein spezifisches Reparatursytem, um solche Beschädigungen effektiv zu kompensieren. Dies zeigten auch Toxizitätstests mit antiviralen Konzentrationen in Vergleichszellkulturen.
Die grosse Hürde der klinischen Studien muss die Substanz sicher noch erfolgreich nehmen, doch erste in vivo Studien in Mausmodellen mit Ebola und Rift Valley Virusinfektionen verliefen vielversprechend und zeigten keine ausgeprägten Toxizitäten. Der Nachteil dieser Studien ist, dass Viruspartikel ausserhalb des Wirts mit LJ001 behandelt, und dann erst in die Tiere injiziert wurden. Dies entspricht natürlich nicht der Situation einer systemischen Gabe des Wirkstoffes als Therapeutikum.
Sollte sich dieses “kleine Molekül” jedoch als wirksam und therapeutisch einsetzbar herausstellen, könnte es eine neue Revolution der Gesundheitsbetreuung, vergleichbar zur Einführung der Antibiotika, auslösen. Wenn man dann noch betrachtet, dass immer mehr Krebserkrankungen mit Virusinfektionen und vor Allem deren langjähriger Chronizität assoziiert werden, könnte dieser Wirkstoff definitiv einiges verändern.
Wolf, M., Freiberg, A., Zhang, T., Akyol-Ataman, Z., Grock, A., Hong, P., Li, J., Watson, N., Fang, A., Aguilar, H., Porotto, M., Honko, A., Damoiseaux, R., Miller, J., Woodson, S., Chantasirivisal, S., Fontanes, V., Negrete, O., Krogstad, P., Dasgupta, A., Moscona, A., Hensley, L., Whelan, S., Faull, K., Holbrook, M., Jung, M., & Lee, B. (2010). A broad-spectrum antiviral targeting entry of enveloped viruses Proceedings of the National Academy of Sciences DOI: 10.1073/pnas.0909587107
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Kommentare (3)
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danke für den interessanten artikel (mal wieder;) – aber in zeile 10/11 hat sich ein kleiner fehler eingeschlichen – der satz ist nicht ganz vollständig.
gruß
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… da fehlt das es in absatz 3 ist… sorry.
der satz: “Dieser Prozess scheint”
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vielen Dank (für Kompliment und Korrektur) – ist verbessert!
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